Der Umgang mit Ambiguität: Wie Entscheider im Ungewissen navigieren
- Nico Gersdorff
- 12. Mai
- 3 Min. Lesezeit
„Nicht die Klarheit der Lage, sondern die Klarheit im Denken macht den Unterschied.“
Ambiguität ist längst keine Ausnahme mehr – sie ist zur Regel geworden. Für Entscheider & Führungskräfte bedeutet das: Der souveräne Umgang mit Unsicherheit entscheidet über Wirksamkeit, Vertrauen und Zukunftsfähigkeit.

In Zeiten von Digitalisierung, geopolitischen Spannungen und rasanter Marktveränderung sind Entscheidungen oft von Unsicherheit geprägt. Gerade in der Entwicklung von Geschäftsfeldern, bei Wachstum und Expansion, oder in komplexen Transformationsprozessen gilt: Wer Ambiguität ignoriert, riskiert strategische Fehlentscheidungen.
Was ist Ambiguität – und warum ist sie so herausfordernd?
In der Organisationspsychologie wird Ambiguität als Unklarheit, Mehrdeutigkeit oder Widersprüchlichkeit von Informationen definiert. In klassischen Führungssystemen galt sie lange als etwas zu Vermeidendes. Heute gilt sie als zentrale Herausforderung moderner Führung (vgl. McCauley, Palus & Drath, 2010).
👉 70 % der Führungskräfte geben an, dass sie regelmäßig Entscheidungen unter Unsicherheit treffen müssen (Quelle: Gartner Executive Survey, 2023).
👉 Gleichzeitig fühlen sich nur 29 % gut vorbereitet, in mehrdeutigen Situationen strategisch zu handeln (Center for Creative Leadership, 2022).
Psychologische Grundlagen: Warum Ambiguität Stress erzeugt
Ambiguität aktiviert im Gehirn ähnliche Stresszentren wie akute Gefahrensituationen. Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass insbesondere der präfrontale Kortex (zuständig für rationale Entscheidungen) durch Ambiguität belastet wird – zugunsten instinktiver Reaktionen (vgl. Hsu et al., 2005, Neuron).
Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Entscheider in solchen Situationen in sogenannte Ambiguitätsvermeidung verfallen – etwa durch:
Übermäßige Analyse (Paralyse durch Analyse)
Schnelle Entscheidungen auf Basis unvollständiger Daten
Delegation von Verantwortung, um Unsicherheit zu entgehen
Hier setzt Coaching für Führungskräfte und Entscheider gezielt an: Es reduziert Reaktivität, stärkt Selbstregulation und schafft kognitive Räume für reflektierte Strategien.
Strategien im Umgang mit Ambiguität
1. Ambiguitätstoleranz als trainierbare Kompetenz
Ambiguitätstoleranz beschreibt die Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten und konstruktiv damit umzugehen. Studien zeigen: Sie ist nicht fix – sie kann durch gezielte Interventionen entwickelt werden (Budner, 1962; Furnham & Marks, 2013). Führungskräfte mit hoher Ambiguitätstoleranz treffen resilientere Entscheidungen und führen empathischer.
Trainierbar durch:
Szenarienarbeit
Reflexionsformate mit Sparringspartnern
Systemisches Coaching
2. Entscheidungsfindung unter Unsicherheit – Modelle und Methoden
In der Entscheidungstheorie unterscheidet man zwischen Risiko (bekannte Wahrscheinlichkeiten) und Unsicherheit (Unbekannte Variablen). Klassische Kosten-Nutzen-Rechnungen scheitern oft an der fehlenden Datenbasis.
Methoden wie:
Entscheidungsmatrix unter Unsicherheit
OODA-Loop (Observe – Orient – Decide – Act)
Pre-Mortem-Analysen
helfen, trotzdem strukturiert zu handeln.
👉 Unternehmen, die systematisch mit Unsicherheit arbeiten (z. B. durch Szenarienplanung), sind laut MIT Sloan Management Review (2021) 28 % erfolgreicher in der Geschäftsfeldentwicklung.
3. Selbstführung und kognitive Entkopplung
Ambiguität erzeugt emotionale Reibung. Coaching zielt darauf ab, zwischen Gefühl und Impuls zu unterscheiden – eine Schlüsselkompetenz für gutes Entscheiden.
Neurobiologische Studien zeigen: Schon 10–15 Minuten strukturierte Reflexion pro Woche verbessern die emotionale Regulation und Entscheidungsqualität signifikant (Tang et al., 2007, PNAS).
Ambiguität als Innovationsraum verstehen
Statt Ambiguität zu „bekämpfen“, können Führungskräfte sie als Nährboden für Innovation und Wachstum begreifen. Besonders in der Entwicklung neuer Geschäftsfelder geht es darum, mit offenen Hypothesen zu arbeiten und mutig zu testen.
Design Thinking, Effectuation-Logiken und agile Steuerung basieren genau auf dieser Ambiguität: Nicht alles muss planbar sein – vieles muss gestaltbar sein.
👉 Laut einer Studie von Deloitte (2022) steigert ein hoher Ambiguitätskompetenz-Index die Erfolgsquote neuer Geschäftsinitiativen um bis zu 35 %.
Fazit: Führung in der Ambiguität ist kein Talent – sondern eine Haltung
Die Welt wird nicht einfacher – aber die Art, wie wir ihr begegnen, kann klarer werden. Der Umgang mit Ambiguität wird zur Kernkompetenz wirksamer Führung. Nicht durch mehr Kontrolle – sondern durch mehr Reflexion.
Coaching für Führungskräfte und Entscheider eröffnet genau diesen Raum: Strategisches Denken, emotionale Selbstführung und eine Haltung, die Ambiguität als das akzeptiert, was sie ist – ein fester Bestandteil moderner Führung.
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